Berlins und Brandenburgs Schlösser und Gärten, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen, ziehen jedes Jahr mehrere Millionen Besucher an. Das Schloss Charlottenburg in Berlin, Sanssouci sowie viele andere Baudenkmäler und Parks in Potsdam und die Schlösser in Rheinsberg und Oranienburg gehören dazu. Doch hinter der geschichtsträchtigen Fassade verbirgt sich auch ein Terrain prekärer Arbeit, verursacht durch die Ausgründung der Fridericus Servicegesellschaft (FSG) aus der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) vor 15 Jahren. Die öffentlich-rechtliche Stiftung wird von den Ländern Brandenburg und Berlin und vom Bund finanziert. 2006 begann das lange Kapitel der Tarifflucht und der Arbeitsverhältnisse im Niedriglohnbereich. Bei Fridericus arbeiten 650 Beschäftigte, etwa 150 von ihnen sind Saisonkräfte. Seit der Ausgliederung der FSG werden fast alle Beschäftigte bei Fridericus nicht mehr nach dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) bezahlt, sondern gerade mal knapp oberhalb des bundesweit geltenden Mindestlohns.
Immer mehr FSG-Beschäftigte wollten diese Ungerechtigkeit nicht länger hinnehmen. Im März 2019 haben viele von ihnen eine ver.di-Betriebsgruppe gegründet. Zwei Monate später folgte die Gründung einer Tarifkommission, um dann im Sommer die Geschäftsführung zu Tarifverhandlungen aufzufordern. Ziel: Anerkennung des Tarifvertrags der Länder (TV-L) für die nichttarifgebundenen Beschäftigten, in einem ersten Schritt eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
Die ver.di Betriebsgruppe nutzte im August 2019 die Potsdamer Schlössernacht, um an die Öffentlichkeit zu treten und ein Zeichen zu setzen für die bevorstehenden Gespräche mit der Geschäftsführung. Anlässlich dieses „Events“, an dem wie alle Jahre zuvor wieder tausende Besucher*innen teilnahmen, traten die ver.di-Aktiven in historischen Kostümen mit einem Zehn-Minuten-Theaterstück an verschiedenen Plätzen in Potsdam auf, begleitet von fast 100 Kolleg*innen.
Weitere Aktionen folgten. So ein Warnstreik am 2. Weihnachtsfeiertag mit einer Kundgebung vor dem Schloss Charlottenburg, was ein reges Echo in den Medien fand. Nach Streikaktionen Anfang des Jahres 2020 gab es auf Arbeitgeber- und Stiftungsseite die Bereitschaft zu Gesprächen zu einem Haustarifvertrag für alle Beschäftigten der FSG – ein erster Erfolg. Allerdings sollten es nach dem Willen des Arbeitgebers weiterhin keine „klassischen Tarifverhandlungen“ sein, sondern eben nur „Gespräche“. Eine Orientierung am Tarifvertrag der Länder (TV-L) stieß auf taube Ohren.
Die Geschäftsführung hatte sich seit dem Sommer 2019 zu Gesprächen bereitgefunden und eine Reihe von Treffen mit der ver.di-Tarifkommission haben stattgefunden. Inzwischen gibt es ein erstes Gesprächsergebnis, das dem Stiftungsrat der SPSG vorliegt. Dieser Entwurf orientiert sich leider nicht am TV-L und auch nicht an den ab 1. Mai 2021 geltenden Mindestvergabelohn in Brandenburg, stellt aber immerhin eine gute Grundlage für weitere Gespräche zur angestrebten Verbesserung der Arbeitsbedingungen dar.
Die Corona-Pandemie und die damit einhergehende Schließung der Schlösser für die Besucher spielt seit mehr als einem Jahr dem Arbeitgeber in die Hände. Während des Lockdowns war für ver.di an wirksame Aktionen und erst recht an Warnstreiks nicht mehr zu denken. Für die betroffenen festangestellten Kolleginnen und Kollegen stockt der Arbeitgeber immerhin das Kurzarbeitergeld zu 100 % auf.
Es gäbe aber einen Ausweg, die stolzen Schlösser und Gärten in Berlin und Brandenburg aus der Schmuddelecke der prekären Arbeit herauszuholen: Politische Entscheidungen der an der Stiftung beteiligten Regierungen und Parlamente, welche die Tarifflucht beenden und den Tarifvertrag auf dem Niveau des TV-L ausfinanzieren könnten.